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Samstag, 30. Juli 2011

Rückkehr zur Nähnadel



Yup, nähen ist die beste Therapie. Ein Tischläufer aus Lila Tuellers neuer Stoffserie - hübsch bunt und fröhlich, ein paar von den dicken fetten Prilblumen aus einem der Stoffe als Appliqué in die Mitte, wildes freihandquilten drumherum, jetzt noch das Binding dran und fertig wird er sein, mein Gute-Laune-Tischläufer.


Eine Sorte Therapie für die ich offensichtlich völlig ungeeignet bin ist die, die so in Gruppen stattfindet. Ich habe scheinbar eine unerklärliche Abneigung gegen die Gruppendynamik, die sich offenbar zwangsläufig entwickelt, wenn ein Haufen kranker Männer auf dem Programm stehen haben: "Wir teilen jetzt mal zwischen 11.45 und 12.30 Uhr die Details unserer Erkrankung und die damit verbundenen Emotionen mit anderen, uns völlig fremden Menschen" 


Dann fängt so eine Art Wettbewerb an. Wer kann sich an mehr Einzelheiten erinnern, wer kann diese am ausführlichsten schildern und vor allem - wer ist denn jetzt hier am aller-aller-ALLER-schlimmsten erwischt worden. Das Leidenspotential scheint unbegrenzt, die Mitteilungsbedürftigkeit desgleichen und bis ich dann irgendwann an der Reihe bin hat sich ein Aggressionspegel aufgebaut der förmlich danach schreit laut auszusprechen was ich so denke. Es ist immer wieder erfreulich, dass niemand in meinen Kopf gucken kann. 
Den Geist von Florence Nightingale findet man da leider selten.


Entsprechend sah mein Beitrag zum Gruppenleiden dann auch aus: "Infarkt. Bypass. Täglich besser. Danke der Nachfrage." Ich wette, die Aufsicht führende Psychologin hatte ihre Freude. 

Freitag, 22. Juli 2011

Praktische Anwendungen für die kreative Näherin und Quilterin - Teil 1: Das Dekoltee

Nun, die ersten zwei Tage der Reha liegen hinter mir - mit eher beschämenden Ergebnissen. Nachdem ich beim Ergometertraining nach 25 Minuten fast vor Erschöpfung vom Rad gefallen wäre, habe ich fürs erste beschlossen, mir immer als Trainingspartner den einen oder anderen 110-jährigen zu suchen, da hat man wenigstens noch eine (wenn auch geringe) Chance, sich hinterher als Gewinner zu fühlen. 


Aber jetzt ist Wochenende und ich kann meinen Muskelkater ganz in Ruhe pflegen. Und wie ich da heute morgen so seufzend und ächzend nach dem duschen im Bad stehe und mich im Spiegel betrachte, stellt sich mir so die eine oder andere Frage bezüglich des permanenten Reissverschlusses auf meiner Brust. 


Ganz ehrlich, vielleicht sollten Chirurgen durch die Bank gezwungen werden, einen Patchworkkurs oder zwei zu absolvieren. Das erste, was hinterher in die Ecke fliegen würde, wäre das Skalpell. 
Jungs - wirklich, mit einem ordentlichen Lineal und Rollschneider wäre das Ganze ein bisschen schöner und gerader geworden. Von der Handnäharbeit selber mal ganz zu schweigen - ich kenne da gleich eine ganze Horde von Handquilterinnen, die das DEUTLICH schöner hingekriegt hätten (Karin - du wärst definitiv meine erste Wahl im OP gewesen) 
Vielleicht hätte ich mir die Hände meines Chirurgen VOR der OP ansehen sollen - heiliger Strohsack, jeder Schaufelbagger wäre vor Neid erblasst! Wie soll man den mit solchen Riesenpranken ordentliche kleine Stiche machen? Jetzt mal echt. 


Aber egal - jetzt ist sie da, die Krumpel-Zickzack-meinem-Chirurgen-war-gerade-schwindelig-Narbe und als kreativer Mensch fragt man sich: Könnte man das nicht ein bisschen aufhübschen?


Eine meiner Töchter war der Meinung, ab jetzt seien nur noch Rollkragenpullover angesagt. Da weigere ich mich. Da bin ich echt stur. 


Meine Freundin Helen meinte, wir müssten zusammen extrem push-up BHs kaufen gehen, am besten eine Nummer zu klein (so nach dem Motto - wenn man nur ordentlich quetscht, sieht man die Mitte gar nicht mehr) - interessante Idee, aber auch nicht so mein Ding.




Heute morgen, vor dem Spiegel fiel mir dann der Langarmquiltkurs ein - und die reizenden Federn von Claudia Pfeil. Das wärs doch, so als Tattoo drumherum! Aber.... das erste Tattoo mit 50 - wo man doch praktisch täglich schrumpeliger wird. Hmmmm..... Außerdem - man muss sich dann ja farblich gleich so festlegen - und das passt dann auch nicht immer zu jedem Outfit. 




Und dann hatte ich die absolute Superidee. Webbänder! Stylefix von Farbenmix, zum Outfit passendes Webband draufpappen - und voilà - die Narbe wird zum dekorativen Mittelpunkt meines Dekoltees. 


Mit ein bisschen nachdenken, fallen mir bestimmt noch ein paar dekorative, stoffliche Verschönerungsmethoden ein.




P.S.: Veronika - vielen, vielen Dank für deine Liebe Karte, das hat mich total gerührt und gefreut


Steffi - Kreativtante? Da gibt es keine! Hmmpppffff!

Dienstag, 19. Juli 2011

Superdiät und Schamgefühl-Abhärtung


Ihr Lieben, für die eine oder andere von Euch war sicherlich auch schon einmal das Thema "Diät" in irgendeiner Form relevant.
Lasst mich Euch sagen: Ich habe die absolute Wunderdiät gefunden. Ich möchte Euch jetzt auf keinen Fall Herzinfarkte, OPs oder simpel den Aufenthalt in einer deprimierenden Klinikumgebung samt zugeschweißten Fenstern ohne Frischluftzugang empfehlen.


Das geht weit simpler: Man nehme IRGENDEIN Nahrungsmittel - klebe einen Sticker mit dem Titel "Gastroenterologische Basisdiät" oben drauf - und voilà - es hat ein Ende mit dem Appetit. Schlagartig. Egal was drin ist, das KANN einem einfach nicht mehr schmecken. Probiert es mal aus.


Dann zum Thema "Schamgefühl". Ich bin ja ursprünglich mal ganz katholisch erzogen worden. In den 60ern. Von einer ordentlichen, westfälischen Mutter. (keine Hippie - Freizügigkeit in UNSEREM Haus, das kann ich Euch sagen)
Entsprechend mein Verhältnis zum "nackig sein".


15 Tag auf der Intensivstation der Uniklinik Münster - und ich könnte heute als Flitzer über das nächstbeste Fussballfeld rasen. Wenn ich den rasen könnte. Was ich nicht kann. Da gibt es nämlich keine Trennung zwischen Männlein und Weiblein. Von diesen 15 Tagen lag ich an 12 Tagen mit wechselnden Männern in einem Zimmer: ein armer verwirrter junger Mann, der am ersten Tag nach meiner OP mit Fäkalien um sich warf (yayyyyy - das war schön, versucht euch mal zu ducken oder unter der Decke zu verstecken, wenn ihr frisch operiert seid und an 1000 Strippen festgemacht seid), ein ebenso verwirrter älterer Herr, der sein Krankenhaushemdchen nicht mochte und immer wieder mal nackelig durchs Zimmer huschte (auch nicht das größte Vergnügen) - und dazu wurde man selber gewaschen usw - von einer nicht enden wollenden Batterie an Schwestern und Pflegern.
Das stählt. Nach ca. einer Woche ist man da nicht mehr so pingelig. Aber vielleicht lässt das ja wieder nach und in ein paar Wochen bin ich wieder mein übliches verschämtes Selbst.
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Samstag, 16. Juli 2011

Dragonlady


Gestern, 15.00 Uhr Ortszeit, bin ich wieder durch meine Haustür getreten. Um zwei Bypass OPs und einige Erfahrungen reicher, um 12 kg leichter (Super Diät, so eine Serie von Herzinfarkten, Mädels, wirklich!) und um ungefähr 98% langsamer als vorher. 


Yesterday, 3 p.m. local time, I stepped into my own home again. Richer by two bypass surgeries and a truckload of experiences, less about 24 lbs (super diet, such a series of heart attacks, girls  - really!) und about 98% slower than before.


Die Geschwindigkeit wird sich wieder steigern, da bin ich mir sicher, und in der Zwischenzeit kann ich ja jetzt mal viel Zeit mit bloggen verbringen - arbeiten wird wohl noch ein bisschen dauern. Zum erzählen gibt es eine Menge - Intensivstationen sind u.a. auch Brutstätten fürs Absurde und unfreiwillig Komische.


The speed will get back to normal, I am sure  - in the meantime I can do a lot of blogging, I suppose that work will have to wait for a while. There's a lot to tell - intensive care units are among others breeding grounds for the absurd and the comic.


Aber vor allem bin ich erst mal froh, alles hinter mir zu haben, zuhause zu sein, meine Familie wiederzuhaben.
Das Bild oben hat mir meine Enkelin gemalt, als ich im Krankenhaus war und es hat mich (mehrfach) zu Tränen gerührt (ich habe überhaupt eine Menge vor mich hingeheult - wegen jedem Mist, gut oder schlecht).
Von links nach rechts: Oma (ich), Noa (meine Enkelin) und Elija (ihr kleiner Bruder), jeder mit persönlichem Drachen und ganz oben breitet der große Drache seine Flügel über uns, um uns zu beschützen. Schnief!!!


But first and foremost I am glad to have all of this behind me, to be back home, to have my family back.
My granddaughter made this picture for me when I was in the hospital and it just moved me to tears (several times  - well .... I did a lot of bawling, for every stupid little thing, good or bad).
From left to right: Grandma (me), Noa (my granddaughter), Elija (her little brother), each with a small personal dragon and on top, the big mighty dragon holds his wings over all of us to protect us. Sniff!!!!


Jedenfalls - Euch allen ganz lieben Dank für die vielen, vielen lieben Wünsche - hier auf dem Blog, per e-mail und Telefon. 


In any case - thank you so much for all those many, many good wishes, here on the blog, by e-mail and phone.


Ab morgen gehts dann weiter mit Geschichten über Fäkalienbomben und nackte Hintern (nichts für schwache Nerven!)  


Tomorrow I'll start with the stories about shitbombs and naked behinds (not for the weak of heart!)